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Mittwoch, 2. September 2020 Winterthur Seen – Tübingen 08:01-11:23
Fast pünktlich erreiche ich mein Ziel. Nach einem Flammkuchen und einem Spaziergang checke ich im Hotel ein, besuche den botanischen Garten, nachher einen der Mittelpunkte von Baden-Württemberg
im Wäldchen Elysium und schlendere anschliessend durch die verwinkelten Gassen mit den wunderbaren alten Häusern. Ein Denkmal erinnert mich daran, dass in dieser Stadt Ludwig Uhland geboren
wurde, der populärste deutsche Dichter des 19. Jahrhunderts und dessen Bild in Bismarcks Schlafzimmer wie in Arbeiterstuben hing. Schulen und anderes wurden nach ihm benannt, so auch Strassen in
Basel und Zürich. Ein weiteres Denkmal erinnert an Friedrich Hölderlin, der bedeutendste Lyriker seiner Zeit und der hier mit Hegel studierte, später lange Zeit hier lebte und auch begraben
wurde. Weniger wichtig scheint mir die Tafel an einem Haus „Hier kotzte Goethe“. Für die Stiftskirche fand er aber lobende Worte über die Glasmosaiken: „Gelb vom hellsten bis in Orange, ja
Ziegelrot, Smaragdgrün, Gelbgrün, Violett (...) Purpur in allen Tönen, des hellen und dunkeln, von größter Herrlichkeit“.
Donnerstag, 3. September 2020 Tübingen – Rottenburg am Neckar 08:45-15:00 14km
Durch die Altstadt zur markanten Stiftskirche und weiter zum malerischen Rathaus geht es zum Schloss, dessen einstige Küche im frühen 19. Jahrhundert zum ersten biochemischen Laboratorium
umfunktioniert wurde und als „Wiege der Biochemie” gilt. Hier entdeckte später Friedrich Miescher den Grundstoff der Erbsubstanzen. Am kleinen Goethehäuschen vorbei laufe ich weiter zum
Bismarkturm auf der höchsten Stelle des Schlossberges. Der weitere Weg führt durch einen erholsamen Wald und oberhalb Hirschau über den ehemaligen Rebbergen zur hübsch gelegenen St.
Remigius-Kapelle, im Volksmund Wurmlinger Kapelle genannt. Weiter führt mich der Radweg in Richtung Rottenburg am Neckar, wo in einiger Entfernung am Ortsanfang die Sülchenkirche mit ihrem
romanischen Turm grüsst. Nach der Hochschule für Kirchenmusik und der markanten Festhalle bin ich bald auf dem Marktplatz mit dem Dom St. Martin. Auch hier prägen schöne Gassen und alte Häuser
den Stadtkern. Auf einem kurzen Spaziergang zur Stadt hinaus gelange ich zur einsam gelegenen Wallfahrtskirche Weggental in einer wunderbaren Landschaft. Manchmal kommt man mit weniger schönen
Erinnerungen in Kontakt – so liegt am Stadtrand ein Gedenkstein für das hier hingerichtete Täufer-Ehepaar Sattler. Sattler war Verfasser oder Mitverfasser der Schleitheimer Artikel oder
Bekenntnis, der ersten ausformulierten Schrift der Täuferbewegung. Michael Sattler starb hier 1527 durch Tortur und Verbrennen und Margaretha Sattler durch Ertränken. Schöner sind die
Erinnerungen an den in der Stadt geborenen Sebastian Blau (eigentlich hiess er Josef Eberle), der als der bedeutendste lateinische Dichter unserer Zeit gilt und ein schwäbisches Multitalent war
mit der Liebe zu seiner Heimat: Heimatdichter, Poet, Lyriker, Lateiner, Weltbürger, Herausgeber, Sprecher, Professor und Senator.
Freitag, 4. September 2020 Rottenburg am Neckar – Rangendingen 08:15-16:30 20km
Ab dem Schadenweilerhof mit der Hochschule für Forstwirtschaft laufe ich auf Naturpfaden und Wegen, zuerst auf einer kleinen Alternative zur Burg Alt-Rottenburg und hinunter zur Kirche Sankt
Wolfgang in Weiler und durch ein Naturschutzgebiet nach Dettingen. In der Mittagssonne geht es über Hemmendorf auf kleinen Asphaltsträsschen nach Hirrlingen. Vor der Besichtigung der Kirche St.
Martin bietet sich die Gelegenheit zu einem Mittagsmahl im Gartenrestaurant an. Hier entscheide ich mich wieder zu einer kleinen Variante auf teils wildromtischen, teils malerischen und teils
schattigen Wiesen- und Waldpfaden im Tälchen der Starzel. Ein kurzer Abzweiger führt mich zur Wendelinskapelle und anschliessend direkt nach Rangendingen. Ein barockes Kleinod ist die in der
Mitte des 18.Jh. erbaute Klosterkirche zum Heiligen Kreuz mit noch fast vollständiger Ausstattung aus der Erbauungszeit; ein seltener Einblick in die süddeutsche Schnitzkunst des Rokoko. Bereits
gestern fiel mir ab und zu die rote Wegmarke mit einem gelben Kreuz auf und weckte mein Interesse. Es handelt sich dabei um den 2500km langen Martinuspilgerweg „Via Sancti Martini“ von
Szombathely in Ungarn (der Geburtsstadt des Heiligen Martin) bis nach Tours in Frankreich, wo der Heilige Martin Bischof war.
Samstag, 5. September 2020 Rangendingen – Hechingen 08:45-13:15 10km
Statt entlang der Strasse wählte ich heute den Weg am Weiler Berg zur Stauffenberg Gedenkstätte bei der früheren Burg, weiter zum Schloss Lindich und zum Martinsberg mit der Martinsquelle. Links
unten liegt Stein mit dem römischen Freilichtmuseum. Von der anderen Talseite her grüsst das stolze Schloss Hohenzollern. Durch einen Golfplatz hindurch führt der Weg nun langsam hinunter zur
Stadt Hechingen, die ehemalige hohenzollerische Residenzstadt. Sehenswert sind die Stiftskirche St. Jakob, das alte und neue Schloss, das Rathaus mit dem Brunnen mit den herrlichen Reliefs der
Stadthistorie von der frühen Besiedlung bis zur Neuzeit, der untere Turm, die Villa Eugenia, das ehemalige Franziskanerkloster und dem Wallfahrtsort St. Luzen mit Renaissance-Klosterkirche,
Kreuzweg und Kalvarienberg. Bemerkenswert ist auch die ehemalige jüdische Synagoge, in der heute Kultur stattfindet und die auch als Gedenkstätte dient. Nach dem nachmittäglichen Stadtrundgang
entdeckte ich einen gediegenen Biergarten eines alt-ehrwürdigen Lokals und ich genoss ein feines, leichtes Abendmahl der lokalen Küche (s’Fecker).
Sonntag, 6. September 2020 Hechingen – Balingen 08:45-16:45 21km
Die Wolken liegen so tief, dass sie die Sicht auf das Hohenzollernschloss verdecken. Bald erreiche ich den ersten Ort Wessingen; die Wolken haben sich etwas gelichtet und von einer leichten
Anhöhe sehe ich jetzt das Schloss. Bald komme ich an einem früheren Ölschieferabbaugebiet vorbei, wo KZ-Häftlinge vom Lager Bisingen unter grausamsten Bedingungen, oft bis zu ihrem Tod schuften
mussten. Der Ortsteil Steinhofen liegt an der früheren Römerstrasse, die später zur „Schweizerstrasse“ von Stuttgart nach Zürich wurde und inspirierte den grössten lyrischen Dichter Österreichs
im 19.Jh., Nikolaus Lenau bei seiner Durchfahrt zum Gedicht „Der Postillion“. Aber auch Johann Wolfgang von Goethe reiste schon auf dieser Strasse. In Engstlatt besichtige ich in der Kirche ein
wunderbares Fresko aus der Erbauungszeit der heutigen Kirche – eine Kreuzigungsszene mit bergiger Landschaft mit Stadt und Burgen, was als realistische Darstellung der Stadt Balingen und der
Burgen Hohenzollern und Schalksburg gedeutet wird und als das qualitativ herausragendste Gemälde der Gotik im Zollernalbkreis gilt. Ein Umweg, der sich lohnte, bevor der Weg wieder durch Wiesen
und Wald sich langsam meinem Ziel nähert. Die Friedhofkirche in Balingen ist eine der ältesten des Landes und entlang der Eyach gelange ich ins Zentrum zum Marktplatz mit Rathaus, der Stadtkirche
St. Nikolaus und dem Zollernschloss mit Reiterhaus und Wasserturm.
Montag, 7. September 2020 Balingen – Nusplingen 08:30-17:00 24km
Auf ruhigem Radweg geht’s zur Stadt hinaus und durch ein Gewerbegebiet nach Endingen und Weilstetten. Langsam beginnt nun der Aufstieg zum Hörnle, vorbei an einem Felsenmeer mit wilden und urigen
Felsgestalten und weiter hinauf auf ein Plateau mit einer wundervollen Aussicht auf Balingen. Ein Stein mit Gedenktafeln erinnert an die über 10‘000 toten Hochgebirgsjäger der Gebirgsdivision
Enzian während dem zweiten Weltkrieg. Über extensiv genutzte Wiesen und vorbei an Hecken geht es nachher langsam hinunter zur gefassten Schlichemquelle und nach dem Ort Tieringen. Die Gegend ist
eine europäische Wasserscheide, weil das Wasser der Schlichem zum Neckar und in die Nordsee fliesst, während die Bära sich ihren Weg in Richtung Donau und damit zum Schwarzen Meer bahnt. Am
Ortsausgang stehen, überraschend für mich, die Fabriken von Interstuhl und Mattes & Amman. Produkte dieser beiden Familienunternehmen sind auf der ganzen Welt zu finden. Der Weg eilt angenehm
durch das Tal der Bära nach Oberdisigheim, in deren Kirche ein romanischer Taufstein aus dem 12. Jh. steht und bald nach Unterdisigheim mit einer kleinen Barockkirche. An der Talflanke entlang im
Wald erreiche ich die kleine Kapelle zum heiligen Hubertus, dem Schutzpatron der Jäger und schon bald ist mein Tagesziel Nusplingen in Sicht. Die Besichtigung der alten Friedhofskirche St. Peter
und Paul plane ich für morgen.
Dienstag, 8. September 2020 Nusplingen – Beuron 08:30-17:00 21km
Ein kunsthistorisches Kleinod ist die alte Friedhofskirche, welche mir ein freundlicher Herr auf Anfrage zeigte. Die Wurzeln reichen zurück bis ins 7.Jh., die ersten Teile der heutigen Kirche
dürften irgendwann um 1100 entstanden sein und später kamen Ergänzungen dazu. Wundervoll sind die Fresken und die Kassettendecke. Nach der Besichtigung machte ich mich auf den Weg weiter durch
das liebliche Tal der Bära bis zum Ort Bärenthal. Nun begann ein heftiger Aufstieg, teils durch eine eindrucksvolle Felsenlandschaft mit einem natürlichen Felsentor. Oben bot sich beim
Kreuzfelsen eine prächtige Aussicht ins Tal. Ganz idyllisch liegt vor Gnadenweiler die Kapelle Maria Mutter Europas und nachher wählte ich statt des markierten Jakobsweg die Naturwege über die
Bärenthaler Steige durch eine Wiesenlandschaft mit schönen Hecken und Buschinseln. Bald gelange ich nach Irndorf, wo in der Kirche die Ausmalung nach der Beuroner Kunstschule mit ihren flächig
gemalten Motiven zu bewundern ist. Nochmals verlasse ich den Jakobsweg und laufe zum Rauhen Stein, der mir eine wunderbare Aussicht ins Donautal offenbart. Ab hier ist’s nur noch ein Spaziergang
hinunter zur Donau und zum Klosterdorf Beuron mit dem im Jahre 1077 gegründeten Augustiner Chorherrenstift und das heute die Erzabtei St. Martin der Beuroner Kongregation ist und als
Benediktinerkloster wiederbelebt ist.
Mittwoch, 9. September 2020 Beuron – Messkirch und mit Bus zurück nach Beuron 08:45-16:15 (18:30) 19km
Der Tag beginnt mit einem langsamen Aufstieg zur Lourdes-Grotte und anschliessend zum privat bewohnten Schloss Bronnen. Ab jetzt geht es nur noch leicht gewellt weiter. In Buchheim erlaube ich
mir eine Kaffeepause bevor ich die sehenswerte Kirche St. Stephan besuche und anschliessend den alten Turm "Buchheimer Hans" besteige. Der Turm gehörte zu einer Kirche aus dem 13.Jh., die in
späteren Kriegen zerstört wurde aber der Turm blieb erhalten. Hier bot sich mir eine herrliche Aussicht bis in die Region Bodensee und zu den Hegaubergen. In Altheim ist die, auf römischen
Fundamenten stehende frühere Wallfahrtskirche einen Besuch wert und weiter durch Wiesen und Wälder gibt’s einen Halt in Heudorf bevor ich nach einem kurzen Marsch mein Tagesziel Messkirch
erreiche. Die St. Martinskirche ist gerade in Renovation aber einen kurzen Blick ins Innere erhasche ich mir trotzdem. Daneben liegt das vierflügelige Schloss mit seinem anschliessenden Garten
und für mich beeindruckend in der Mitte der Stadt steht das Rathaus von 1899 im Stil der Neu-Renaissance. Von hier würde der Linzgauer Jakobsweg über das Kloster Wald, Pfullendorf und Überlingen
nach Konstanz führen. Ich plane jedoch ab morgen auf dem Donau-Randen-Pilgerweg weiter nach Blumberg zu pilgern und fahre darum mit dem Bus über Hausen im Tal nach Beuron zurück. Vorher stärke
ich mich mit einem kleinen, leckeren Imbiss aus der Metzgerei und Bäckerei, da in Beuron die Verpflegungsmöglichkeiten rar sind und früh am Abend schliessen.